Das Thema Nachhaltigkeit ist in nahezu jedem Unternehmen in den letzten Jahren zum Buzzword geworden, es schmückt jährliche Geschäftsberichte, findet sich in Newslettern wieder und verändert nebenbei das ein oder andere Logo – meistens irgendetwas mit grün. Mit dem immer stärker werdenden Modebegriff Nachhaltigkeit kommt jedoch auch eine wichtige Erkenntnis: es ist nicht alles tatsächlich grün, was uns eben diese Geschäftsberichte, Newsletter oder von Logos glauben machen wollen.

„Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen“, so die Definition des Rat für Nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit ist damit viel mehr, als uns mit clever formulierten, eindimensionalen Marketingkampagnen vermittelt wird: es geht um ein Gleichsetzen von ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen.

Eine ehrliche Implementierung des Themas Nachhaltigkeit in einem Unternehmen ist damit nicht nur eine kräftezehrende Herausforderung, sondern vor allem eine enorme Chance, den Unternehmenserfolg weiter auszubauen und Wettbewerbsvorteile für sich zu verbuchen. Aber Vorsicht: wer mehr auf den grünen Schein als grünes Sein setzt, läuft schnell Gefahr vom Wettbewerb, aber vor allem den eigenen Kunden abgestraft zu werden – Stichwort Greenwashing.

Nachhaltigkeit – von der Öko-Nische in die Mitte der Gesellschaft

Nachhaltigkeit vor allem in Bezug auf ökologisches Handeln war lange ein Nischenthema für Idealisten und Ökoromantiker, das hat sich grundlegend verändert. Nicht nur die jüngeren Generationen wie Millenials, Gen Y oder Gen Z haben das Thema auf der Agenda. Quer durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten zieht sich das Thema als besonders wichtig; es ist – gottlob – im Mainstream angekommen. Der Markt verlangt nach schlüssigen, nachhaltigen Konzepten.

Interessant ist dabei zu sehen, wie persönlich Nachhaltigkeit umgesetzt wird. Bioläden, Elektromobilität, Energiesparhäuser oder moderater Verzicht. Keine Frage, nachhaltig zu leben und konsumieren ist auch immer eine Frage des Geldbeutels. Wenn das Gehalt kaum für das nötigste reicht, ist die Forderung nach strikter Nachhaltigkeit des Einzelnen purer Zynismus.

Gerade hier liegt Potential für die Foodservice Branche, denn da wo der Einzelne sich mit dem Umsetzen einer nachhaltigeren Lebensweise schwertut kann die Foodservice Branche durch clevere Konzepte die Möglichkeit bieten, dass der Kunde auf den Zug aufspringt und das Unternehmen unterstützt, nachhaltige Strategien so fördert und die Basis für eine weitere Intensivierung vorantreibt.

Sustainable payback

Nachhaltigkeit richtig umgesetzt ist eine „Win-Win-Proposition“, das war bereits in den 1990er Jahren bekannt. Trotzdem gibt es bei der Umsetzung oft innere Hürden und Hindernisse, die ausgeräumt oder überwunden werden müssen. Hinzu kommt, dass die Umsetzung in komplexen, bestehenden und oft über lange Zeit gewachsenen Systemen nicht trivial ist. Nehmen wir als Beispiel die Fast-Food Industrie mit ihren Einwegverpackungen. Obwohl diese Unternehmen über eine enorme Marktmacht verfügen, um Veränderungen durchzusetzen und in die Breite zu tragen, so wird deutlich, wie schwer die Umstellung trotz geeigneter Systeme tatsächlich ist. Im Fall von McDonald‘s, Burger King und Co kann man diesen Systemwechsel durchaus als disruptive Veränderung sehen – ein Häuserheben.

Trotzdem ist das Investieren von Ressourcen um geeignete Strategien umzusetzen in gleich mehrerer Hinsicht ein Investment in die Zukunft, dass sich auszahlt. Zum einen müssen wir Verändern, der Klimawandel, unser Plastikproblem und auch die voranschreitende Digitalisierung, um nur einige Faktoren zu nennen, zwingen uns dazu. Zum anderen stärkt eine schlüssige, ehrliche Nachhaltigkeitsstrategie die eigene Marke und kann sich als Umsatz- und Gewinntreiber herausstellen. Das Mitgestalten ist ein mächtiges Werkzeug, um für Kunden, aber auch zukünftige Mitarbeiter, an Attraktivität und Perspektive zu gewinnen.

Um diesen „payback Effekt“ zu nutzen muss laut den Spezialisten von Deloitte das Thema Nachhaltigkeit auf oberster Managementebene verankert, die KPI´s systematisch erfasst und gemessen, sowie das Thema in den Innovations- und Strategieprozess verankert werden.

Strategien für die Foodservice Industrie

In wenigen Bereichen des täglichen Lebens ist man so nah am Kunden wie in der Foodservice Industrie. Hier wird sprichwörtlich mit den Füßen entschieden, ob ein Gericht oder Serviceleistung an den Kunden gebracht werden kann. Während einige Themen und potentielle Ansatzpunkte auf der Hand liegen, werden andere kaum im Bereich der Nachhaltigkeit gesehen, sind aber enorm wichtig, damit eine schlüssige Gesamtstrategie entsteht. Hier drei Top Themen:

1. Lebensmittel mit Herkunft

Dass die Verwendung von Lebensmittel mit Gesicht, am besten biologisch und regional ein wichtiger Punkt in der Umsetzung einer nachhaltigen Strategie sind, ist bekannt. Das Konsumentenbewusstsein hat sich hierzu in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Es ist Zeit, diesen Trend für die Foodservice Industrie zu nutzen.

Die Tücke liegt hier im Detail, denn neben höheren Kosten tauchen recht schnell Fragen der Warenverfügbarkeit, gleichbleibender Qualität und natürlich auch der Transparenz in der Lieferkette auf. Hinzu kommt die Frage, ob die Gäste eine neue, nachhaltigere Strategie tatsächlich mittragen. In der Realität findet daher eine Umstellung auf nachhaltigere Lebensmittel schrittweise und unter genauer Beobachtung statt, wie sich die neue Strategie in das Unternehmen integriert – entsprechende KPI’s sind dringend erforderlich.

Die Erfahrung zeigt, dass die Kunden diesen Weg meistens gerne mitgehen, wenn die Prozesse transparent und ehrlich sind. Kein Kunde ist so weltfremd, dass er erwarten würde, dass ein Unternehmen zu 100% nachhaltig von jetzt auf gleich wird. Viel wichtiger ist eine transparente und ehrliche Kommunikation darüber, was möglich und derzeit nicht umsetzbar ist, bzw. was sich in Planung befindet. Deshalb setzen Sie wirksame Akzente, die in Ihre Gesamtstrategie passen.

Bleiben wir beim Beispiel der Herkunft: wenn sie bereits verstärkt Lebensmittel mit nachhaltiger Herkunft einsetzen, so wir ein rein regional-biologischer Einkauf oft schwer umzusetzen sein; nicht nur wegen der Kosten, sondern auch aufgrund der Verfügbarkeit. Ein wirksamer Akzent kann hier der punktuelle Einsatz hyperregionaler Lebensmittel sein, z.B. Milch und Gemüse vom Landwirt im direkten Umkreis, oder sogar ein Fleischfeature, wenn sich das in der Kostenstruktur darstellen lässt. Höhere Verkaufspreise lassen sich leicht mit einem guten Storytelling („Hyperregional auf den Teller!“) erklären, ein höherer Warensatz kann als Werbemaßnahme verbucht werden.

Machen wir Gäste zu Mitstreitern und lassen Sie direkten Einfluss auf die weitere Strategie nehmen. Nachhaltige Veränderungen müssen zwar vom Management gewollt und angestoßen werden, es sind jedoch die Kunden, die unmittelbar die finanzielle Basis schaffen – mit jedem einzelnen Teller, mit jeder Bestellung für den außer Haus Markt. Das Einbinden von Kunden ist nicht nur aufgrund des Customer Lifecycle sinnvoll, sondern vor allem, um Mitstreiter zu gewinnen, die auch die nächsten Schritte gerne mitgehen.

2. Lebensmittel- und Verpackungsmüll reduzieren

Es ist eine unvorstellbare Zahl: mehr als 30% der globalen Lebensmittelproduktion findet indirekt für die Mülltonne statt und entspricht 1.3 Milliarden Tonnen mit einem geschätzten Gesamtwert von  400 Milliarden USD pro Jahr.

Auch wenn diese Zahlen die gesamte Produktions- und Verarbeitungskette bis hin zum Verbraucher erfasst, so lässt sie nur erahnen, wie viel Lebensmittel eingespart werden könnten und welches Einsparpotential sich dahinter verbirgt. Initiativen wie das Food Recovery Network oder United Against Waste unterstützen Unternehmen dabei, effiziente Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung zu installieren.

Für die Foodservice Industrie liegt nicht nur Potential in der Reduzierung von Zubereitungsverlusten, Resten auf den Tellern oder der Weitergabe nicht verwendeter Lebensmittel, sondern auch in der gesamten Versorgungskette. Neue, digitale Lösungsansätze helfen dabei, die Komplexität zu verringern und Transparenz zu schaffen, sowie eine stärkere Synchronisation im Gesamtprozess herbeizuführen. Interessant sind hier auch Ansätze wie The future of Fresh von Deloitte welche Lebensmitteleinzelhändlern, Lebensmitteldienstleistern und Lebensmittellieferanten helfen soll, ungenutztes Potenzial in der Zukunft zu realisieren.

Ähnlich ist es beim Thema Verpackungsmüll, ein Thema, auf das Kunden nicht erst seit Bekanntwerden der Mikroplastik Belastung empfindlich reagieren. Während Mehrwegsysteme aus Gründen der Nachhaltigkeit am sinnvollsten erscheinen, jedoch oft mit einem hohen organisatorischen Aufwand einhergehen, so liegt in alternativen Verpackungen ein anderes Problem: eine Verpackung, die umweltfreundlicher hergestellt und aus abbaubaren Produkten besteht ist am Ende des Tages immer noch ein Wegwerfprodukt – und damit Müll.

Ziel muss es daher sein, einen sinnvollen Mix aus zirkulären Systemen und Wegwerfverpackungen mit möglichst geringen ökologischen Auswirkungen zu haben. Die große Anzahl an Startups, die sich gerade mit diesem Thema befassen, sollte uns nicht nur positive Stimmen, sondern dazu veranlassen, aktiv mitzugestalten.

3. Personal

Personal als Thema der Nachhaltigkeit?  Passt das? Es könnte nirgends besser aufgehoben sein als in diesem Bereich!  Personalthemen gehören in der Nachhaltigkeitsstrategie genauso verankert, wie in der Firmenkultur, denn beide Bereiche sind essenziell für das Unternehmen. Firmenkultur, Ausbildung von Personal, Verringern der Fluktuation und das Schaffen von Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten sind ein weiter Bereich.

Daher hier in aller Kürze: wenn bei Ihnen „always people first“ ein fundamentaler Grundsatz der Kultur und der Nachhaltigkeit im Unternehmen ist, dann haben Sie vermutlich verstanden, dass eine nachhaltige Unternehmensstrategie ohne Mitarbeiter völlig unmöglich ist. Punkt.

Vorne dabei sein – einfach machen!

Nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln? Ein alter Hut. Verpackungsmaterial sparen und auf neue Ideen setzen? Gibt’s schon länger. Personal zum Thema Nachhaltigkeit hinzufügen? Bitte weckt mich, wenn wir fertig sind… Richtig, das Thema Nachhaltigkeit erscheint modern und zeitgemäß, ist es aber nicht. Es ist schon so alt, dass es hier eigentlich in schwarz-weiß erscheinen müsste.

Nachhaltiges Verhalten bestimmt uns seit Jahrhunderten, oftmals aus reiner Not geboren. Nehmen wir als Beispiel Nahrungsknappheit und die damit verbundenen Hungernöte: auf individueller Ebene war das Thema existenziell, für die Gemeinschaft eher weniger. Heute haben sich die Vorzeichen gedreht, Nachhaltigkeit ist nach wie vor existenziell, doch heute auf globaler Ebene. Sagen wir es wie es ist: wenn wir nicht schnell – am besten gestern – handeln, dann sind wir am Arsch.

Für die Foodservice Industrie ergeben sich hieraus oft unterschätzte Chancen:

1. Brand awareness und Brand purpose ausbauen

Nachhaltigkeit im Unternehmen zahlt direkt auf den sog. Brand purpose ein, also den Unternehmenszweck. Wofür steht das Unternehmen, was sind seine sozialen und ökologischen Ziele? Ihr Unternehmen muss aufgrund nachhaltiger Aktivitäten und Strategien auffallen und in der Öffentlichkeit Stellung beziehen: „wenn du (Kunde) uns unterstützt, können wir alles das erreichen…“. Nur so kann der Kunde sich unmittelbar mit dem Unternehmen, bzw. der Marke identifizieren. Wichtig ist, dass grün gedacht und gehandelt wird, sonst wird aus dem „green thinking“ schnell ein gefährliches Greenwashing.

2. Kundenbindung von Millennials bis Gen Z

Community ist alles! Auch wenn sich das Thema Nachhaltigkeit quer durch die Gesellschaft erstreckt, so sollte ein besonderes Augenmerk auf die Millennials und Generation Z – den digital natives –  gelegt werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass die junge Generation von heute die Stammkunden von morgen werden. In der Wahrnehmung dieser Kundengruppen spielen einzelne Unternehmen eine untergeordnete Rolle, sondern was kooperativ erreicht werden kann. Das Unternehmen bezieht dabei Position, ist Vorreiter und scheut sich auch nicht vor schneller Anpassung der Strategie. Es scheut sich auch nicht davor, als erster Risiken einzugehen, um vorne mitzuspielen und zu gestalten.

3. Höhere Gewinne, stabilere Renditen & glückliche Investoren

Am Ende des Tages geht es um Budgets, Gewinne und Renditen und das ist gut so. Denn nur wenig treibt ein Unternehmen so stark an, wie die Aussicht auf stetiges, organisches Wachstum und gute Gewinne. Gerade neue, nachhaltige Business Modelle und angepasste Strategien können sich als Gewinn- und Renditetreiber erweisen. Aber nicht nur das, auch eine Stärkung der Marke, Innovationen im Produktportfolio oder die Verringerung der Fluktuation treiben den Erfolg voran.

4. Vom Rohrkrepierer zum Game Changer

Abwarten und auf den Zug aufspringen, wenn die Zeit (scheinbar) reif ist, oder aktiv mitgestalten? Beide Ansätze haben gewiss ihre Vorteile, sind eher auf ein niedriges Risiko fokussiert oder auf den Wunsch, ganz vorne und als erster dabei zu sein. Kunden heute schätzen Unternehmen, die etwas bewegen wollen, die sich trauen und nicht abwarten; vieles deutet darauf hin, dass sich dies in der Zukunft verstärken wird. Und das ist gut so.

Es ist soweit!

Es gibt praktisch keine Argumente, die rechtfertigen, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu verschließen – im Gegenteil. Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökologie, Ökonomie, aber auch im Sozialen werden nicht erst die Themen der Zukunft sein, sie sind es bereits jetzt. Wie immer ist die Umsetzung nicht leicht, kostet Ressourcen, Zeit und Geld. Aber wir sprechen hier von einem Investment für etwas, dass nicht nur nice-to-have ist, sondern überlebenswichtig. Es ist nicht nur die Zeit der Macher und nachhaltigen Visionäre, sondern auch derjenigen, die aus vielen kleinen Veränderungen das Große möglich machen.

Abwarten und die Situation zu beobachten ist eine natürliche und sehr menschliche Herangehensweise, doch muss man vorsichtig sein, dass der besagte Zug nicht schon zu schnell fährt, um aufzuspringen, sondern man bestenfalls hinterherlaufen kann.

Die Foodservice Branche ist immer ein Motor für das Neue und Innovative gewesen, für aufregende Konzepte und Kundenorientierung. Sie hat die besten Voraussetzungen, um wirklich etwas zu bewegen.

 

In personal designations, the masculine designation has been chosen for better readability, which includes the feminine on an equal footing.

© Sascha Barby, 2021. All rights reserved. Title photo by Markus Spiske on Unsplash

Sascha Barby

Sascha Barby

Sascha's passion for food and the foodservice industry has driven him since he first worked in the kitchen. Projects abroad and the diversity of the industry have only increased his enthusiasm. Started as a Chef in various restaurants in Germany and Canada, completing his skills with an MBA, he now works at Rational AG in marketing.  Sascha lives with his wife and children in Bavaria near Munich.